Kerstin Claus und Andreas Bialas

Kinder besser schützen

Kerstin Claus, Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, zu Gast in Langerfeld.

Schutzkonzepte und Teams mit ausgebildeten Experten in allen Bereichen der Gesellschaft forderte Kerstin Claus, Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, bei der LangLese. „In jeder Schulklasse sind statistisch gesehen ein bis zwei Kinder, die sexuelle Gewalt erlebt haben – wir müssen Berührungsängste verlieren und handlungsfähig werden!“, forderte sie in der Bandfabrik in Langerfeld im Gespräch mit dem Landtagsabgeordneten Andreas Bialas.

Dass in NRW jetzt Schulen Schutzkonzepte erarbeiten, sei ein guter Schritt und ein Qualitätssiegel für jede Schule, sagte sie. Am besten sollten möglichst viele Menschen an einer Schule oder Kita Wissen rund um sexuellen Missbrauch haben, damit ein Kind zwischen verschiedenen Ansprechpartnern wählen könne. Denn das Sprechen über den Missbrauch wirke auch langfristig gegen damit einhergehende psychische Belastung. Gleichzeitig betonte sie, dass ein Konzept zur Stärkung der Kinder alleine nicht reiche; denn sonst fühlten sich diejenigen schuldig, die es nicht geschafft haben, nein zu sagen. „Die Täterstrukturen wirken so, dass die Kinder und Jugendlichen gar nicht dazu kommen, nein zu sagen“, nannte sie ihre Erfahrung aus vielen Gesprächen mit Opfern. Andreas Bialas wies darauf hin, dass viele Betroffene auch eine enge emotionale Bindung zu dem Täter hätten, was ein Offenbaren erschwere.

Wissen auf Seite der Erwachsenen sei deshalb auch so wichtig, um betroffene Kinder und Jugendliche gut aufzufangen, sagte Kerstin Claus: „Dass der Missbrauch sofort unterbrochen wird, ist nicht alleinig entscheidend – oft wichtiger ist, dass die Kinder und Jugendliche einbezogen werden in die nächsten Schritte, damit sie sich auch einlassen können. Und sich gezielt darum zu kümmern, auch Beweise für den Missbrauch zu sichern.“ Deshalb brauche es erfahrene Personen, die das Kind nicht nur in den Tagen danach, sondern auch noch Monate oder Jahre später auffangen. Gelebte Normalität sei für viele Betroffene extrem wichtig. Und es müsse neben der finanziellen Entschädigung auch eine berufliche Rehabilitation geben, mit der etwa Schulabschlüsse nachgeholt werden können.

Um Kinder und Jugendliche besser zu schützen und Betroffenen gut zu helfen, fordert Kerstin Claus die Aufnahme des Themas sexueller Missbrauch in die Ausbildungen – sowohl in der Sozialen Arbeit wie auch bei Lehrern und Erzieherinnen oder auch in der Ausbildung von Polizisten, Richterinnen und Psychologinnen. So sei etwa der Mythos, dass Betroffene sexuellen Missbrauchs vor oder während der Gerichtsverhandlung keine psychologische Betreuung erhalten sollten, weit verbreitet. „Führende Rechtspsychologen sagen aber, das kann man einordnen und ist kein Problem – sondern oft sogar wichtig, um einen Zeugen stabil und kompetent zu halten“, betonte Kerstin Claus.

Die Gefahr lauere vor allem in der Familie oder im persönlichen Umfeld. Manche Kinder würden auch über das Internet kontaktiert – etwa über beliebte onlinefähige Spiele, in denen über Chats jeder den jungen Menschen anschreiben kann. „Wir brauchen bei solchen Spielen eine sichere Kinder- und Jugendvariante“, fordert die Expertin und ermuntert Eltern, viel mit ihren Kindern im Gespräch zu bleiben. Mit ihrer neuen Kampagne „Schieb die Verantwortung nicht weg!“ ruft sie alle Erwachsenen dazu auf, sich zu informieren, aufmerksam zu sein, um dann auch konkret handeln zu können.